„Es waren aufregende, schöne Jahre, aber es war auch eine gefährliche Zeit“ erzählt Erika Neininger, denn das Publikum sei nicht immer das beste gewesen. Es habe viele Einbrüche gegeben, und mancher habe dem Kinopersonal spät abends aufgelauert. Erika Neininger wusste viel: Sie kannte die Paare, die oben im Rang gern allein bleiben wollten und sah, was sich da machen ließ. Nach bestem Wissen und Gewissen gab sie Auskunft, wenn sich Besucher nach der Qualität des Filmes bei ihr erkundigten und sich dann erst für oder gegen den Eintritt entschieden. Sie wusste in welcher Szene die Leute auflachten und an welcher sie verstohlen die Taschentücher zückten. Und sie kannte die Einsamen, die in der Umgebung wohnten, und in diesem Saal für einige Stunden ihr Alleinsein vergessen wollten.
„Das Kino boomte regelrecht“, erinnert sich die alte Dame. Es sei auch ganz egal gewesen, dass die Streifen, die in Radolfzell gezeigt wurden, nicht brandaktuell waren, weil die großen Kinos erst einmal vorgingen. „Es hat zwei, drei Monate gedauert, bis ein Film aufs Land kam.“ Besonders in Erinnerung geblieben sind Erika Neininger Straßenfeger wie „Wo der Wildbach rauscht“, „Vom Winde verweht“, „Dr. Schiwago“ und „Spiel mir das Lied vom Tod“. Aus allen Ortschaften seien da die Besucher gekommen. Es gab täglich zwei Veranstaltungen ab 17 Uhr, samstags eine zusätzliche Spätvorstellung und sonntags sogar drei Vorstellungen.
Neben Schokoriegeln, Gummibärchen und Popcorn stand bei den Kinobesuchern Kaugummi hoch im Kurs. Schon damals habe dieser nach den Vorstellungen häufig unter den Sitzen geklebt. Die hohe Zeit des Kinos wurde Ende der 60er Jahre abrupt beendet. Das Fernsehen hielt verstärkt Einzug in die Radolfzeller Wohnstuben und schaufelte dem Kino das Grab. 1988 schloss das Universum als zweitletztes Kino in Radolfzell seine Pforten. Wie viele Kinogänger der 50er Jahre empfindet auch sie den Niedergang der Leinwand-Ära als bedauerlich. Umso mehr freut sie sich jetzt über das neue Nostalgie-Kino. „Wenn ich gesundheitlich besser drauf wäre, hätte ich mich glatt vom Filmclub dauerhaft engagieren lassen“, verrät sie.